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Lokales

Interview mit der Stadtarchivarin Mühlackers: "Stärkung der Stadt als Mittelzentrum"

Marlis Lippik spricht über die Ernennung Mühlackers zur Großen Kreisstadt.

Auf zwei Seiten hat das Mühlacker Tagblatt am 3. Februar 1973 - und damit am Tag nach dem Festakt - über die Erhebung zur großen Kreisstadt berichtet. Gefeiert wurde mit 400 geladenen Gästen im Uhlandbau.

Wie gut ist die archivarische Datenlage zur Ernennung Mühlackers zur Großen Kreisstadt vor 50 Jahren?

Die eigentliche Antragstellung zur Großen Kreisstadt umfasst nur eine nicht sehr dicke Akte, daneben gibt es drei weitere zur Vorbereitung des Festakts, der am 2. Februar 1973 im Uhlandbau mit 400 Gästen stattfand. Auch in der Presse wurde das Ereignis breit gewürdigt. Aber die seit 1970 geführten Verhandlungen mit den Gemeinderäten der fünf Orte, die sich mit Mühlacker zusammenschließen sollten und so die Große Kreisstadt erst möglich machten, nehmen einen relativ breiten Raum im Stadtarchiv ein.

Können Sie zusammenfassen, wie die Entscheidung damals gefallen ist?

Im Zuge der allgemeinen Verwaltungsreform in Baden-Württemberg am Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre wurden landesweit größere kommunale Einheiten gebildet. Das heißt: Viele kleinere, bis dahin selbstständige Gemeinden verloren ihre Eigenständigkeit. Man wollte so verwaltungsmäßig effizientere und wirtschaftlich stärkere Einheiten schaffen.

So schloss sich zunächst Lomersheim (2400 Einwohner) mit Wirkung zum 1. Januar 1971 an Mühlacker an, das damals 14.000 Einwohner zählte. 1972 folgten Enzberg (3800 Einwohner) und Mühlhausen (1000 Einwohner). Damit überschritt die Gesamtstadt die Grenze von 20.000 Einwohnern und hatte automatisch ein Anrecht auf den Titel einer Großen Kreisstadt. 1975 kamen Großglattbach und Lienzingen dazu.

Was hat das für Mühlacker bedeutet?

Einige zusätzliche Aufgaben, die von der Kreisverwaltung auf die Stadt übergingen. Gleichzeitig besteht aber auch die Möglichkeit, sich als Mittelzentrum in größerem Maße finanzielle Unterstützung für die Schaffung der erforderlichen Infrastruktureinrichtungen durch Zuschüsse von Bund und Land zu sichern. Das kommt zum Beispiel dem Bau von Schulen, Kindergärten und Straßen zugute oder auch der Einrichtung von Sanierungsgebieten.

Haben die Gemeinden mit Blick auf ihre jeweils gewachsene historische Struktur überhaupt zusammengepasst?

Von der räumlichen Nähe her passten Lomersheim, Enzberg und Lienzingen am besten zu Mühlacker, während Großglattbach und Mühlhausen weiter entfernt liegen und deshalb in der Vergangenheit auch starke Tendenzen in Richtung Vaihingen hatten. Enzberg dagegen war wegen seines großen Arbeiteranteils schon länger auf Pforzheim hin orientiert, wo viele Enzberger in der Schmuckindustrie arbeiteten. Auch Lomersheim hatte neben der traditionellen Landwirtschaft einen gewissen Anteil an Arbeiterschaft durch die lange Zeit im Ort ansässige Weberei. Großglattbach, Mühlhausen und Lienzingen waren ursprünglich eher bäuerlich strukturierte Orte.

Die Kernstadt Mühlacker war historisch gesehen schon immer der größte Ort im früheren Kreis Vaihingen beziehungsweise im Oberamt Maulbronn mit einigen zentralörtlichen Funktionen wie Krankenhaus und weiterführenden Schulen. Traditionell waren hier viele Handwerkszünfte ansässig und durch die Eisenbahn gab es auch eine wachsende Zahl von Industriebetrieben, die viele Arbeitskräfte auch aus den umliegenden Orten anzogen.

Als wie historisch bedeutsam ordnen Sie die Ernennung ein?

Die Bedeutung der Großen Kreisstadt Mühlacker liegt am ehesten in der Stärkung der Stadt als Mittelzentrum im östlichen Enzkreis. Das bringt die Verpflichtung zur Schaffung von entsprechenden Infrastruktureinrichtungen mit sich, wie bereits beschrieben.