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Interview mit Herrn Joachim Wohlfeil, Präsident der Handwerkskammer in Karlsruhe

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Das Handwerk vermeldet Quartal für Quartal gute konjunkturelle Zahlen. Also alles bestens beim regionalen handwerklichen Mittelstand?Wohlfeil:Wir wollen nicht übertreiben. Die letzten Jahre waren für unsere 19.000 Mitgliedsbetriebe sicherlich nicht die schlechtesten. Man kann dies auch an den Gründungen im Kammerbezirk ablesen. Über 1.900 Unternehmen wurden neu gegründet oder übernommen. Wie in der Gesamtwirtschaft sind die Gründungszahlen allerdings auch im Handwerk seit einigen Jahren insbesondere im Vollhandwerk rückläufig. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die positive Arbeitsmarktentwicklung mit ihren guten Chancen in der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.Können denn Existenzgründer von der Kammer Unterstützung erhalten?Wohlfeil:Betriebsgründungen sind für eine Volkswirtschaft unverzichtbar und müssen langfristig vorbereite werden. Sie bieten die Chance auf Innovationen, Wachstum, Ausbildung und Arbeit, sie schaffen privates Einkommen und Steueraufkommen für öffentliche Aufgaben. Gründungen sorgen für den notwendigen Strukturwandel, tragen bei richtiger Rahmensetzung zur Steigerung der Leistungsund Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft bei und sichern den Wohlstand in Deutschland. Wir haben an allen Standorten Fachleute die sowohl bei der Existenzgründung als auch bei der Betriebsübergabe beraten. Daneben bieten wir regelmäßige Sprechtage und Veranstaltungen zu diesem Themenkomplex an.   

Erfahren Sie von den politischen Akteuren die notwendige Unterstützung?

Wohlfeil:
Die Politik muss Sorge dafür tragen, dass die Attraktivität für Selbständigkeit dauerhaft erhöht wird, Selbständige wesentlich mehr Wertschätzung in der Gesellschaft erhalten und die Perspektiven von beruflich gebildeten Selbständigen mindestens so stark beworben werden wie die akademische Laufbahn. Die Förderung von Betriebsnachfolgen ist aktive und wichtige Gründungspolitik.

Herr Wohlfeil – immer mehr Menschen gehen für den Klimaschutz auf die Straße – für jeden vierten Bundesbürger steht das Thema Klimawandel ganz oben auf der Agenda. Hat das Ganze auch für das Handwerk eine Relevanz?

Wohlfeil:
Ja, der Klimawandel bringt auch für das Handwerk viele Herausforderungen im Betrieb und neue Marktchancen. Kälteanlagenbauer sind künftig sicher sehr gefragte Leute, aber nicht nur sie: Auch Heizungsbauer, Schornsteinfeger, Elektriker und Glaser werden das sein. Denn sie alle brauchen wir, um die Klimaziele zu erreichen. Sie müssen sich ständig weiterbilden, um sich etwa auf neue Kältemittel einzustellen, um CO2-sparende Verglasungen zu entwickeln, um klimaschonende Heizungen einzubauen. Aber das Handwerk hat sich schon immer an klimatische, technische oder gesellschaftliche Entwicklungen angepasst.
   

Interview mit Herrn Joachim Wohlfeil, Präsident der Handwerkskammer in Karlsruhe-2

Künstliche Intelligenz, die Digitalisierung der Wirtschaft – neue technologische Entwicklungen? Muss das Handwerk die überhaupt auf dem Schirm haben?

Wohlfeil:
Auf jeden Fall! Handwerk kann und sollte sich von neuen technologischen Entwicklungen nicht abkoppeln. In einer aktuellen bundesweiten Umfrage des Handwerks sieht eine Mehrheit der Befragten mittelfristig deutliche Nutzungsmöglichkeiten. Wirtschaft 4.0 wird ein wichtiger Wettbewerbsfaktor werden und „sehr wahrscheinlich“ dem Handwerk in absehbarer Zeit Chancen eröffnen.

Vor einigen Tagen begann das neue Ausbildungsjahr. Würden Sie Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn empfehlen, eine Ausbildung im Handwerk zu überdenken?

Wohlfeil:
Aber natürlich. Eine technische Ausbildung im Handwerk – das ist fast schon so etwas wie eine Jobversicherung. Viele stellen sich unter der Arbeitswelt Handwerk vor allem schmutzige und körperlich anstrengende Arbeit vor. Dabei hat sich sehr Vieles geändert, auch durch die Digitalisierung. Es wird zudem verkannt, dass die berufliche Bildung Perspektiven bietet, die mancher akademische Weg nicht mehr bieten kann. Bei der hohen Studentenanzahl werden allenfalls die Besten die gutbezahlten akademischen Traumjobs ergattern, sehr viele gehen leer aus. Mit einer Meisterprüfung wird einem das so gut wie sicher nicht passieren.

Die betriebliche Ausbildung in Deutschland wird maßgeblich durch Klein- und Kleinstbetriebe getragen. Was erwarten Sie von der Politik?

Wohlfeil:
Die Qualität der betrieblichen Ausbildung ist ein entscheidender Ansatzpunkt, um den Fachkräftenachwuchs für das Handwerk zu finden und langfristig an die Betriebe zu binden. Wir wollen, dass die Politik sich für die Gleichwertigkeit der akademischen und gewerblichen Ausbildung einsetzt. Dazu gehört beispielsweise eine ergebnisoffene Studien- und Berufsorientierung auch in der gymnasialen Oberstufe. Zu den Aufgaben der Politik gehört auch die Sicherstellung von Grundkompetenzen in Deutsch und Mathematik sowie IT-Kompetenzen von Absolventen allgemeinbildender Schulen, ein auch in strukturschwachen ländlichen Räumen gut erreichbares Angebot an berufsschulischem Fachunterricht.

Handwerkskammer Karlsruhe
  

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