Was treibt die Mitglieder des Illinger Gewerbevereins im Jahr seines 120-jährigen Bestehens besonders um?
Da hat sich in 120 Jahren einiges angesammelt: Die Bürokratie nimmt weiter zu, gleichzeitig ist sie immer weniger Grundlage für politische Ziele. Manche haben Probleme, Mitarbeiter zu finden, anderen fehlt das Material. Die steigenden Preise können natürlich nicht unkompensiert bleiben. Je nach Branche wurden zwar Hilfen versprochen, allerdings wurde noch nicht jeder Antrag bearbeitet oder ausbezahlt. Falls doch, ist ja vorbehaltlich einer Prüfung eine Rückzahlung nicht ausgeschlossen. Jeder hätte es vorgezogen, von seiner Hände Arbeit zu leben, doch in manchen Branchen war dies aufgrund der Einschränkungen nicht möglich. Anders formuliert: Man schließt seinen Laden nicht, man produziert nur nicht mehr.
Wie wirken sich die unterschiedlichen Krisen auf die Mitgliederzahlen aus?
Die sind glücklicherweise im Illinger Gewerbeverein konstant auf hohem Niveau. Veränderungen gibt es in jedem Jahr. Explizit der Krise zuordnen lassen sich die wenigsten Veränderungen. Manche Unternehmer gehen in Ruhestand, andere eröffnen ihre Firma.
Wie wichtig ist es für Illinger und Schützinger Geschäftsleute, einen Gewerbeverein zu haben?
Mit öffentlich sichtbaren Veranstaltungen wie dem Verkaufsoffenen Sonntag oder einer Gewerbeausstellung nimmt man das Wirken des Gewerbevereins nach außen hin natürlich wahr. Ansonsten dient er gerne als Ansprechpartner. Schon vor vielen Jahren, noch vor meiner Amtszeit, wurde für den Breitbandausbau geworben. Hoffentlich geht der demnächst los, denn es gibt an mancher Illinger Stelle Nachholbedarf.
Als Mitglied im Landesverband des Bundes der Selbständigen (BDS) werden die aktuellen Anliegen der Mitglieder auch im Landesverband gehört und durch die Kontakte in die Landespolitik auch angesprochen. Illingen ist der größte Gewerbeverein im Kreis, der dem BDS angeschlossen ist. Darum sind wir nun im Beirat des Landesverbandes.
Mit Illingen-hats.de bieten wir unseren Mitgliedern die Möglichkeit, zum Beispiel mit einem Brancheneintrag auf sich aufmerksam zu machen. In den Suchergebnissen sieht man, dass das auch funktioniert. Telefonische Anfragen verweise ich gerne an die Mitglieder, die diese Tätigkeiten anbieten.
Was hat Sie bewogen, Mitglied zu werden?
Ich bin 2009 als Nachfolger für meinen Vater als Beisitzer in den Verein gekommen.
Und warum haben Sie sich entschieden, als Vorsitzender Verantwortung zu übernehmen?
Als Beisitzer hatte ich sieben Jahre lang Einblick in die Vereinsarbeit. In dieser Zeit gab es immer einen sehr offenen Umgang mit den anstehenden Themen, und ich konnte an der Ausgestaltung mitwirken. So wurde der Einblick immer größer. 2016 war ich bereit, den Vorsitz zu übernehmen. Natürlich benötigt dieses Amt auch Zeit. Aber man muss aussprechen, was nicht rund läuft, sonst ändert sich nix. Ich glaube ja, dass die meisten unserer Mitglieder gerade deswegen im Verein sind: Um wieder mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben zu haben, oder für die Dinge, die man mit seinem Geschäft machen will.
Gibt es Kontakte zu Gewerbevereinen in der Nachbarschaft?
Wir haben Mitglieder, die auch in den Nachbarvereinen Mitglied sind. Direkte Kontakte zur jeweiligen Vereinsführung werden bei Bedarf hergestellt. Einen regelmäßigen Austausch gibt es nicht. Wir nehmen Rücksicht auf bestehende Aktivitäten der Nachbarvereine, erwarten das entsprechend auch im Gegenzug. Es macht ja keinen Sinn, in kurzer Abfolge drei Gewerbeschauen in Vaihingen, Mühlacker und Illingen durchzuführen. Dafür fehlen schlichtweg die ortsansässigen Unternehmen, die das sowohl personell, zeitlich wie auch finanziell stemmen sollen. Im Jahr 2022 wäre das fast so gekommen. Aufgrund der Vorbereitungszeit und der nicht sehr verlässlichen Umstände mit Blick auf mögliche Corona-Einschränkungen haben wir unsere angedachte Gewerbeausstellung auf einen späteren Termin, möglicherweise 2024, verschoben.
Wie wichtig ist es, gemeinsame Veranstaltungen - beispielsweise die Illinger Open - durchzuführen?
Ich denke, das Format ist sehr wichtig. Die kleinen Unternehmen sind sehr auf diese Art der Werbung angewiesen und werden dabei von den größeren Unternehmen oder Handwerksbetrieben unterstützt. Den einen geht es um das direkte Geschäft, für die anderen steht die Kundenpflege oder die Vorbereitung auf größere Projekte im Vordergrund. Neue Mitglieder nutzen die Chance, sich vorzustellen. Alleine im vergangenen Jahr haben wir so drei neue Mitglieder gewinnen können.
Was ist aus der Historie überliefert: Warum wurde der Verein vor 120 Jahren gegründet? Welche Ziele hatte er damals?
Außer den Gründungsdaten ist aus dieser Zeit wenig überliefert. Ich denke, wichtig war damals wie heute, das Netzwerken der Unternehmer untereinander. Und es geht darum, in einer sich ständig verändernden Arbeitswelt und Gesellschaft Einfluss zu nehmen auf die Bedingungen vor Ort, aber auch auf die Rahmenbedingungen, die die Wirtschaft betreffen. Als Verein mit vielen Mitgliedern wird man anders wahrgenommen als als Einzelkämpfer.
Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Wie soll sich der Verein entwickeln in den nächsten Jahren?
Es ist ein Segen, dass der Gewerbeverein Illingen eine aktive Vorstandschaft hat und auch durch aktive Beisitzer einen echten Mehrwert erfährt. Ich würde mir wünschen, diese Kultur beizubehalten, und möchte noch weitere Mitglieder motivieren, mehr Einblicke und Verantwortung im und für den Verein zu übernehmen. Wenn sich die Arbeit auf viele Schultern verteilt, ist sie leistbar, und es haben auch alle mehr davon. Dann kann kommen, was will, der Verein wird den Herausforderungen gewachsen sein. Und es wird auch in Zukunft heißen: Illingen hat's. Ramona Deeg